Mit allen Wassern gewaschen
Wenn eine Abwasserreinigungsanlage für gleich vier Schweizer Gemeinden komplett um- und ausgebaut werden soll und parallel dazu der reibungslose Weiterbetrieb garantiert sein muss, braucht es absolut erfahrene Hoch- und Leitungsbau-Experten. Ein Lokalaugenschein in der ARA Sargans.
Es bleiben nur wenige Augenblicke, um den erstaunlich milden und wolkenlosen Spätherbstmorgen zu geniessen. Kurt Leuzinger, als Bereichsleiter Hochbau bei Marty auch für den Aus- und Umbau in der ARA Sargans zuständig, ist bereits vor Ort und begrüsst mit einem festen und energiegeladenen Händedruck. Er verliert keine Zeit, zu viel Arbeit wartet auf ihn auf der Baustelle und später im Sennwalder Büro auf dem Schreibtisch. Kurt schnappt sich einen Stapel Pläne und faltet einen davon direkt auf der offenen Ladefläche eines Transporters auseinander. «Ausbau ARA Sargans – Übersichtsplan. Situation 1:200» steht in grossen Lettern am oberen rechten Rand. «Auf diesem hier erkennt man am besten die Ausmasse der Baustelle und was alles bereits in den letzten Monaten errichtet worden ist oder noch zu machen ist», erklärt das Mitglied der Marty-Geschäftsleitung. Aktuell sind gerade zwei Marty-Bautrupps vor Ort: Einer ist mit der Erweiterung des Betriebsgebäudes und der entsprechenden Infrastruktur beschäftigt, der andere kümmert sich um den Neubau von vier riesigen Lüftungs- und Nachklärbecken für die biologische Abwasser-Reinigung. Parallel dazu wird am Pumpwerk Seidenbaum in Trübbach gearbeitet sowie eine insgesamt 11 Kilometer lange Druckleitung verlegt, um nach deren Fertigstellung die noch in Betrieb befindliche ARA Wartau stilllegen zu können.
«Für den Unterbau mussten wir recht tief graben. Der hohe Grundwasserspiegel war dabei nicht ganz einfach.»
Kurt Leuzinger, Projektleiter
Kurt klappt den Plan sorgfältig zusammen und führt zum neuen Hebewerk. Massive Förderschnecken schrauben dort das Abwasser in zwei Stufen Richtung eines grossen Mischbeckens für eine erste, mechanische Reinigung. Fast 10 Meter Höhenunterschied sind dabei vom Schmutzwasser zu bewältigen. «Für den Unterbau mussten wir recht tief graben. Der hohe Grundwasserspiegel war dabei nicht ganz einfach. Und die zwei Stufen waren nötig, weil die Förderschnecken eine gewisse Länge nicht überschreiten dürfen, sonst gäbe es Probleme mit Schwingungen», erklärt der erfahrene Marty-Bauführer.
Mehr Zeit, um auf die Funktion von anderen, bereits in Betrieb befindlichen Bauwerken oder Abwasserbecken einzugehen, bleibt nicht. Justin Hehli, 24-jähriger Baupolier bei Marty, ist pünktlich zum vereinbarten Treffpunkt gekommen, um mit Kurt Details der aktuellen Bauphase, die Errichtung von je zwei Belüftungs- und Nachklärbecken mit einem Gesamtfassungsvermögen von 6000 m³ zu besprechen. Die beiden beschliessen kurzerhand aus dem noch recht frischen Morgenschatten heraus die bereits sonnenbestrahlten Gänge der weiter oben gelegenen Vorklärbecken als Freiluft-Besprechungsraum zu nutzen. Die Unterredung ist kurz und es bedarf nur noch letzter Abklärungen direkt an der Baustelle, wo bereits einige Wandschalungselemente der über 6 Meter hohen Becken emporragen. Ein paar gemeinsam durchgeführte Kontrollmessungen mit dem Hilti-Tachymeter später ist Justin wieder in der Baugrube verschwunden, um die Schalung der nächsten Wandetappe vorzubereiten.
Ehe auch Kurts Arbeit im Sennwalder Büro ruft, trifft er sich noch schnell mit dem ARA-Betriebsleiter Peter Müller. Wie zwei Kapitäne stehen die beiden auf einer metallischen Brücke über einem sprudelnden Belüftungsbecken und tauschen sich über noch anstehende Bauabschnitte aus. Nachdem sich der Marty-Bauführer herzlich verabschiedet hat und bereits Richtung Auto unterwegs ist, gibt der 61-jährige Betriebsleiter Einblicke in die Dimension des Projektes. «Diese Abwasserreinigungsanlage in Sargans wurde bereits 1974 erbaut. Die Erweiterung und der Neubau sind daher technisch und aufgrund der stetigen Zunahme der örtlichen Bevölkerung und Industrie einfach notwendig geworden. Das umfassende Projekt macht auch durch die damit mögliche, absehbar geplante Abschaltung der ARA Wartau betriebswirtschaftlich Sinn», weiss der seit 1988 im Bereich Abwasser tätige Experte. Dem Kooperationspartner Marty streut er aufgrund der bisherigen Zusammenarbeit Rosen: «Neben dem enormen Bauvolumen besteht eine wesentliche Herausforderung auch darin, all diese verschiedenen Neu- und Umbauten so zu koordinieren, dass gleichzeitig ein reibungsloser Betrieb weiter möglich ist. Da braucht es rechtzeitige Absprachen und gegenseitige Rücksichtnahme. Das hat alles bisher wunderbar geklappt.» Zudem überzeugten ihn fachliche Kompetenz und Professionalität. «Von der Machbarkeitsstudie bis zu den einzelnen Bauabschnitten ist mit Marty bisher alles einwandfrei gelaufen. Tolle Leute, die wirklich schaffen können», ist der gebürtige Wartauer beeindruckt. Nach Fertigstellung des Projektes ist für ihn persönlich übrigens Schluss. Dann geht Peter Müller in Rente.
«Von der Machbarkeitsstudie bis zu den einzelnen Bauabschnitten ist mit Marty alles einwandfrei gelaufen. Tolle Leute, die wirklich schaffen können.»
Peter Müller, Betriebsleiter ARA Sargans
Von Ruhestand ist hingehen an der nur wenige Meter entfernten Baustelle keine Rede. An den Rändern der grossflächigen Bodenplatten ragen auffallend viele und dicht aneinandergereihte Bewehrungen empor. Aus gutem Grund: Die dicken Stahlstäbe mit fast 2 Zentimetern Durchmesser sind wesentlich, um den über 6 Meter hohen Beckenwänden aus Beton die nötige Stabilität und Standfestigkeit zu verleihen. So wichtig, dass sogar ein externer Ingenieur die vorgeschriebene Bewehrungsabnahme und Kontrolle durchführen muss.
Polier Justin ist zusammen mit dem Kranführer Goce und den beiden Brüdern Carlos und Vito gerade dabei, die nächste zweihäuptige Schalung für eine weitere Beckenwand-Etappe zu errichten. Die Länge einer solchen Etappe ist dabei auf etwa 7 Meter limitiert, um die Gefahr von Spannungsrissen zu verhindern. Auch die Höhe hat Grenzen. «So eine Schalung hält rund 7 Tonnen stand. Man muss also brutal aufpassen, dass vor allem der Druck in Bodennähe nicht zu stark wird», kennt Justin die Gesetze der Physik.
Weitere Tücken liegen in den Anforderungen, denen speziell die imposanten Becken in Sargans gerecht werden müssen und warum das exakte Einmessen vorab mittels Tachymeter so unverzichtbar ist. «Bei den 40 Meter langen Abwasserbecken haben wir gerade einmal 10 Millimeter Toleranz oder Spielraum, was die Breite auf deren gesamte Länge betrifft. Die später darin montierten, mechanischen Feinrechen oder Kehrbesen würden nämlich sonst nicht einwandfrei funktionieren», erklärt der Sennwalder, der trotz seiner 24 Jahre fast schon ein Marty-Urgestein ist. Schon 2013 hat er als Maurerlehrling bei Marty begonnen und ist heute – bereits als fertig ausgebildeter Polier – fixer Bestandteil der Belegschaft.
Stück für Stück wächst mittlerweile die nächste Wandschalung in die Höhe. Der vom 49-jährigen Goce gesteuerte Kran setzt parallel dazu auch Gerüstteile aufeinander, damit seine Kollegen bei jedem einzelnen Arbeitsschritt festen Stand haben. Zudem sichern sich die Bauarbeiter in diesen Höhen auch noch zusätzlich mit Kletterausrüstung und Fallseil ab. Eine Sicherheitsmassnahme, für welche die Marty-Bauarbeiter extra einen Höhensicherungskurs absolviert haben. Während Justin die verschiedenen Abläufe koordiniert, erklärt er, worauf es beim späteren Betonieren der Wände ankommt: «Ist die Schalung aussen und die Schliesswand innen fertig und werden beide Seiten von Gewindestahl-Ankerstäben fest zusammengehalten, wird von oben der zunächst noch frische Beton eingefüllt. Eine spezielle Mischung, sogenannter NPK-G-Beton, der ausgehärtet völlig wasserdicht und auch fäkalienresistent sein muss. Zudem ist die Betonoberfläche der Bodenplatte nicht glatt ausgeführt, sondern etwas rau, um so mögliche Abplatzungen zu verhindern.»
Das heutige, sonnige und warme Herbstwetter begünstigt das Abbinden des Betons. «Hätte es allerdings deutliche Minusgrade, würde man die Wandschalung mit Thermomatten abdecken, damit die Wärme des dort eingefüllten Betons nicht entweichen kann. Man könnte aber auch spezielle Beschleuniger beimengen, um die Abbindezeit zu verkürzen,» weiss Justin Bescheid, wie solche Arbeiten selbst bei frostigen Temperaturen möglich wären. Nach etwa 24 Stunden weist die Betonwand in der Regel genügend Festigkeit auf, damit die Schalung entfernt werden kann. Für die Dichtheit zwischen den einzelnen Arbeitsetappen sorgen vormontierte Injektionskanäle, in die noch ausreichend Kunstharz injiziert wird.
Während die Arbeiten an dem Nachklärbecken zügig vorangehen, wartet für Justin und seine Mannschaft noch eine bautechnische Herausforderung beim noch zu errichtenden Belüftungsbecken Nummer 3. Dort muss nämlich die bereits mit XPS Swisspor Dämmung versehene Wand nicht nur stolze 7.5 Meter hoch werden, sondern deren Aufbau auch mit nur einhäuptiger Schalung erfolgen. «Direkt hinter der einen Längswand steht bereits das Gebäude mit der Gebläsestation und dem Fällmitteltank», erklärt der junge Polier. «Wir können dort deshalb nicht von zwei Seiten wie sonst, sondern nur mit einer Schalung – eben einhäuptig – arbeiten.» Eine solche Schalung muss zudem noch bestens abgestützt werden. Und für das Betonieren bedeutet das für den Marty-Hochbautrupp auch mehr Aufwand und Zeit: Anstatt gleich die komplette Höhe mit Beton zu füllen, darf dies in diesem Fall lediglich in Füllhöhen von 70 Zentimetern pro Stunde erfolgen. Erst nach deren Abbindung kann die nächste, darüber liegende Betonfüllung in Angriff genommen werden. Nur ein Beispiel von vielen, welch unterschiedliche Aufgaben die Marty-Bautrupps tagtäglich hier in Sargans zu meistern haben.
Beim Verlassen der ARA Sargans, vorbei an dem neuen Betriebsgebäude und den vielen, bereits in Betrieb befindlichen Wasserbecken, Speicher- oder Reinigungsanlagen wird einem die gewaltige Dimension der Baustelle erst richtig bewusst. So gesehen wirkt die kleine Marty-Fahne fast schon ein wenig zu bescheiden, die einem still von einem der beiden Oberdreherkräne zum Abschied vom Herbsthimmel winkt …
Projekt «ARA Sargans»
Auftraggeber: Abwasserverband Saar (Sargans, Vilters-Wangs, Mels, Wartau)
Projektleiter Ausbau ARA Sargans: Kurt Leuzinger
Ausführung Baumeister-Arbeiten:
- Etappe 1: Oktober 2020 bis September 2022
- Etappe 2: Juni 2022 bis April 2023
- geplante Vollinbetriebnahme Gesamtnetz: Dezember 2023
Eckdaten ARA Sargans (u.a.):
- 17500 m³ Aushub
- 2500 m² Spundwände
- 175 m Betonbohrpfähle (DN 1.00 m)
- 175 m Kanalisations- und Werkleitungsrohre
- 15000 m² Wandschalung (zweihäuptig bis Höhe 6.5 m)
- 390 m² Wandschalung (einhäuptig bis Höhe 7.5 m)
- 2000 m² Deckenschalung
- 894 t Bewehrungsstahl
- 5380 m³ Beton
- 410 m² Mauerwerk
Weitere Einblicke
Aus dem Leben eines MARTY-Urgesteins
Im Jahr 1982 begann Christian Eggenberger bei MARTY als Saisonarbeiter. Mit ihm und Seniorchef Werner Marty zählte das Unternehmen damals gerade einmal fünf Mitarbeiter. Heute, mehr als vier Jahrzehnte später, ist «der Chrigel» selbst im FAR-Ruhestand noch immer ab und zu während der Sommermonate auf Baustellen tätig. Wir haben ihn an einem dieser Arbeitstage begleiten dürfen.
Leitungsbau am Limit
Ein Gelände mit 45 Grad Gefälle und nur wenige Monate Zeit: nicht so einfache Rahmenbedingungen für die dringend notwendige Erneuerung einer Druckleitung des Elektrizitäts- u. Wasserwerks (EW) Mels, welche die Sarganserländer Gemeinde sowohl mit Trinkwasser als auch Strom versorgt. Dank professioneller Zusammenarbeit aller beteiligten Unternehmen konnten die dafür nötigen Arbeiten wie geplant im September 2023 erfolgreich abgeschlossen werden. Eine Zusammenfassung eines bemerkenswerten Projekts.